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Biotopbäume und Totholz

Verschiedene Tier-, Moos-, Flechten- und Pilzarten besiedeln jeden Baum von der Wurzel bis zur Krone und nutzen ihn als Lebensraum. Als Biotopbäume bezeichnet man speziell jene Bäume, die aufgrund ihrer Beschaffenheit eine besondere Bedeutung für die Artenvielfalt haben. Oftmals sind dies gerade Eigenschaften, die eine forstliche Nutzung weniger interessant machen. Während Totholz bereits ganz abgestorben ist, finden sich bei Biotopbäumen die Totholzstrukturen am zumindest teilweise noch lebenden Baum.

Biotopbäume und Totholz haben viele Gesichter

Biotopbäume und Totholz haben viele Gesichter
  • Bäume mit größeren Stammverletzungen, Stammfäulen,
    Pilzbefall und viel Kronentotholz
  • Bäume mit Faul- und Spechthöhlen (Höhlenbäume)
  • Bäume mit Horsten baumbrütender Vogelarten (Horstbäume)
  • Uralte Bäume (»Methusalems«)
  • Totholz (stehend und liegend)

Biotopbäume und Totholz haben eines gemeinsam: Für zahlreiche spezialisierte Tier-, aber auch Moos-, Pilz- und Flechtenarten sind sie ein wichtiger Bestandteil ihres Lebensraumes. Denn viele dieser Spezialisten sind eng an Biotopbaum- und Totholzstrukturen gebunden. In »aufgeräumten« Wäldern ohne diese Schlüsselstrukturen fehlen diese Spezialisten. Auch bereits relativ junge Biotopbäume können vielfältige Funktionen erfüllen, aber tendenziell steigt die Bedeutung mit dem Alter und der Dimension des Baumes. Weil Biotopbäume häufig Totholzstrukturen am lebenden Baum aufweisen, bleiben diese hier oft länger erhalten und sind daher besonders wertvoll.

Pilze: Meist unsichtbare Wegbereiter

Pilze: Meist unsichtbare Wegbereiter

Holz ist für die meisten Insektenarten ein ungenießbarer Stoff. Erst die unauffällige Arbeit verschiedener Holzpilze erschließt ihn als Nahrungsquelle und Lebensraum für eine Vielzahl von Tierarten.

Die beginnende Zersetzungsarbeit bleibt in aller Regel unter der Rinde verborgen. Pilzfruchtkörper treten erst hervor, wenn die Holzzersetzung schon relativ weit fortgeschritten ist. Dennoch können auch diese Bäume noch viele Jahre am Leben bleiben, da Pilze fast ausschließlich abgestorbenes Holz abbauen. Pilze zerlegen den Baum, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Der Zunderschwamm zum Beispiel bildet im Holz Strukturen aus, die zu »Sollbruchstellen« im Stamm werden.

Bild: Der Ästige Stachelbart bevorzugt starkes Totholz.

Kronentotholz: Ein Platz an der Sonne

Kronentotholz: Ein Platz an der Sonne

Auch lebende Bäume, vor allem Eichen, besitzen oft schon Totholz – und zwar in der Krone. Hat ein Baum sehr viel davon, macht ihn dies zum Biotopbaum.

Kronentotholz bietet vielen wärmeliebenden Arten, zum Beispiel aus der Familie der Bock- und Prachtkäfer, ein trockenes und warmes Habitat. Der seltene Wendekreis-Widderbock zum Beispiel lebt an sonnigen Ästen der Eiche. Einige Spechte, wie Mittel- und Kleinspecht, legen in ausreichend dicken Ästen sogar ihre Höhlen an.

Bild: Der Wendekreis-Widderbock liebt sonniges Kronentotholz.

Horstbäume: Lastenträger

Horstbäume: Lastenträger

Auch Horstbäume sind Biotopbäume. Eine ganze Reihe größerer Vogelarten legt Baumhorste an, wie zum Beispiel Schwarzstorch, Rotmilan und Wespenbussard. Da der Horstbau aufwendig ist, benutzen die meisten Arten ihren Horst über viele Jahre hinweg.

Zudem müssen – je nach Vogelart – bestimmte Schlüsselstrukturen am Neststandort vorhanden sein, wie zum Beispiel Anflugschneisen, Deckung oder geeignete Bäume als Beobachtungswarten und zur Beuteübergabe. Horstbäume sind daher nicht beliebig ersetzbar und müssen, wo immer möglich, geschützt werden.

Bild 1: Großhorstbewohner sind während der Brutzeit sehr störungsempfindlich.
Bild 2: Nicht jeder Baum eignet sich als Brutplatz. Nur ältere Bäume mit kräftiger Krone halten dem Gewicht der großen Horste stand.

Höhlenbäume: Nachmieter gesucht

Höhlenbäume: Nachmieter gesucht

Baumhöhlen, ob vom Specht gezimmert oder durch das Ausfaulen eines Astes entstanden, werden von einer Vielzahl von Tierarten vom Käfer bis zur Eule genutzt. Sie bieten Platz für die Jungenaufzucht, sind Tages- oder Nachtversteck und dienen als Nahrungsdepot.

Mit zunehmender Zersetzung der Höhle ändert sich die Bewohnerschaft, bis schließlich im Idealfall eine Mulmhöhle entstanden ist.

Bild: Dohle in Bruthöhle

Rindentaschen: Manche mögen’s eng

Rindentaschen: Manche mögen’s eng

Als »Rindentaschen« bezeichnet man sich ablösende Rindenpartien an anbrüchigen oder toten Bäumen. Es sind Nischen mit besonderem Kleinklima. Verschiedene Käfer-, Milben- und Spinnenarten verbringen ihr gesamtes Leben unter solchen Strukturen.

Einige Vogelarten, wie zum Beispiel die Baumläufer, nutzen derartige Spaltenquartiere als Brutraum und Unterschlupf. Für manche Fledermausarten, wie zum Beispiel die Mopsfledermaus, sind sie ein bevorzugtes Tagesversteck.

Bild 1: Rindentasche an Eiche
Bild 2: Mopsfledermäuse in natürlichem Spaltenquartier

Mulmhöhlen: Langsam wird’s mulmig

Mulmhöhlen: Langsam wird’s mulmig

Mulmhöhlen entstehen an lebenden, meist sehr alten Bäumen, über viele Jahre durch Pilzbefall aus kleinen Verletzungen, Astabbrüchen oder Spechthöhlen.

In diesen exklusiven Strukturen lebt die »Aristokratie« der bedrohten Käferarten, wie etwa der nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützte Eremit, ein stattlicher, nach Leder riechender Rosenkäfer.

In Mulmhöhlen mit Erdkontakt findet man Urwaldreliktarten wie den Veilchenblauen Wurzelhalsschnellkäfer. Es sind hochgradig gefährdete Arten mit speziellen Habitatansprüchen und langen Entwicklungszeiten. In Urwäldern waren sie hingegen vielfach nicht einmal selten.

Vom Umgang mit Biotopbäumen und Totholz

Für den Erhalt der biologischen Vielfalt in unseren Wäldern sind Biotopbäume und Totholz in ausreichender Qualität, Zahl und Verteilung sehr wichtige Lebensraumelemente. Sie genießen als Habitatbäume bestimmter Arten sogar gesetzlichen Schutz.
Gefahren, die von stehendem Totholz oder Biotopbäumen für die Waldarbeit ausgehen, lassen sich häufig schon dadurch erheblich
reduzieren, dass bereits bei der Auswahl dieser Bäume auf eine entsprechende räumliche Verteilung (z. B. geklumpt) geachtet wird.

Entlang von öffentlichen Straßen und Wegen, Erholungseinrichtungen oder im Siedlungsbereich müssen Aspekte der Verkehrssicherung besonders beachtet werden.

Von Biotopbäumen und Totholz geht in aller Regel keine Gefahr für die Gesundheit der Wälder aus. Vielmehr sind sie die Wohnstätte vieler Tierarten, die helfen, Massenvermehrungen schädlicher Insekten zu vermindern. Nur bei frisch absterbenden Fichten ist Vorsicht geboten, da hier Gefahr von starker Besiedlung durch Borkenkäfer besteht.

Mit Biotopbäumen und Totholz leistet der Waldbesitzer einen wichtigen Beitrag für den Wald als vielfältigen, artenreichen Lebensraum und steigert so auch dessen Erlebniswert.

Bild 1: Der marmorierte Rosenkäfer benötigt Mulmhöhlen.
Bild 2: Mulmhöhlen entstehen über viele Jahrzehnte, wenn Pilze das Kernholz zersetzen. Diese Höhle hat der Sturm geöffnet.

Der Kreis schließt sich

Der Kreis schließt sich

Der letzte Entwicklungsschritt im langen Leben eines Baumes ist das Totholz. In Urwäldern ist es ein elementarer, nicht wegzudenkender Bestandteil. Oftmals finden sich dort Totholzmengen von 50 Festmetern pro Hektar und mehr, je nach Waldgesellschaft. Aus diesem Grund haben sich unzählige Arten daran angepasst, im und vom toten Holz zu leben oder es als Teil ihres Lebensraumes zu nutzen. Totholz ist daher eines der ökologisch wichtigsten Strukturelemente unserer Wälder.

So leben in Mitteleuropa ca. 1.350 totholzbewohnende und holzabbauende Käferarten sowie etwa 1.500 Großpilzarten in und am Totholz. Das feucht-modrige Milieu umgestürzter Bäume nutzen Amphibien (wie z. B. Kammmolch und Feuersalamander) als Tagesversteck und Überwinterungsquartier. Die Wildkatze zieht ihre Jungen gern im geschützten Inneren hohler, liegender Stämme auf.

Der Begriff »Totholz« umfasst eine große Vielfalt an Strukturen: Abhängig von der Baumart, ob stehend oder liegend, frisch abgestorben oder schon vermodert, dick oder dünn, besonnt oder nicht, entstehen am einzelnen Totholzstück Mikrohabitate und Nischen unterschiedlichster Art. Mit der Dimension toten Holzes nimmt das Vorkommen seltener, heute oftmals bedrohter Arten zu.

Dennoch sind auch bereits Totholzstücke mittlerer Stärke wertvolle Lebensräume seltener Arten, und es gibt praktisch keine Arten, die ausschließlich an sehr starkes Totholz gebunden sind. Schlüsselfaktoren für artenreiche Lebensräume von Totholz-Bewohnern sind:

  • Habitattradition, also eine lange zurückreichendes Vorkommen entsprechender Strukturen, vor allem für die ausbreitungsschwachen Arten
  • Vielfalt an Totholzstrukturen, also ein Nebeneinander verschiedener Holzarten, Dimensionen und Zersetzungsgrade
  • Eine Vielfalt von mikroklimatischen Bedingungen (besonntes Totholz, aber auch kühl-schattiges in luftfeuchten Lagen)
  • die Vernetzung mit blütenreichen Lebensräumen, weil viele Totholzbewohner als fertig entwickelte Tiere Blüten besuchen

Am Ende des Zersetzungsprozesses werden die ehemals im Holz gebundenen Nährstoffe und Spurenelemente mineralisiert, dem Boden zugeführt und von den nachwachsenden Pflanzen wieder aufgenommen. Totholz ist daher auch ein wichtiger Bestandteil des Nährstoffkreislaufs.

Schon mit einem bescheidenen Nutzungsverzicht kann jeder Waldbesitzer einen Beitrag leisten, die Artenvielfalt in unseren Wäldern zu sichern oder zu erhöhen. Hierfür sind auch Fördermöglichkeiten vorgesehen. Informationen hierzu erhalten Sie bei der zuständigen Forstdienststelle.

Bild 1: Natürlicher Zerfall schafft Lebensräume.
Bild 2: Biotopbäume und Totholzstämme wie dieser »Flötenbaum« haben fast immer einen geringen ökonomischen Wert, während der ökologische sehr hoch ist..